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Leben sei «animiertes Wasser», so der russische Denker und Begründer der Biogeochemie Vladimir Vernadsky. Vorhin hörten wir, dass die wichtigste Lebensäußerung, die Photosynthese, auf der Spaltung von Wasser beruht. Sogar für die Gehirnelektrik ist Wasser zuständig (im Ggs. zur Haushaltelektrik, wo man es nicht gerne sieht).

Flüssiges Wasser ist ein besondrer Saft. Keine andere Flüssigkeit ist derart 'anormal'. Das fängt mit der Formel an, die eben nicht H2O lautet, sondern (H2O) n-mal. Die Bindungskräfte zwischen den Wassermolekülen sind nicht vernachlässigbar. (Die gleichen Wasserstoffbrücken halten im Erbmaterial die einander entsprechenden DNS-Stränge zusammen, nicht zu fest, denn Starrheit bedeutete Tod, und nicht zu locker, denn das begünstigte thermischen Zerfall.) Deshalb schwimmen Eisberge auf dem Wasser, gefrieren Seen von oben (ohne das Leben am Grund zu vernichten), wobei die Eisschicht wie eine Wärmedämmung wirkt, und deshalb ist Wasser als Lösungsmittel für alle Lebensvorgänge so wichtig!

Rätselhaft ist auch, wie wir gleich hören werden, seine Herkunft. Auf dem ersten Blick scheint alles ganz einfach: Wasser sollte häufig im Kosmos vorkommen.

Wasserdampfleuchten der Erdatmosphäre

Wasserstoff ist das häufigste Element im Kosmos. Sauerstoff nimmt den dritten Platz ein. Dazwischen liegt Helium, das als Edelgas aber chemisch gesehen eine Niete ist. Allerdings ist viel Sauerstoff in Gestalt von Kohlenmonoxid im Kosmos gebunden. (Letzteres kann durch Wasserstoff und nur katalytisch, unter Mitwirkung metallischer Staubpartikeln — Fischer-Tropsch-Verfahren — in Methan und Wasser umgewandelt werden.)
Wasser ist ungeachtet seiner Häufigkeit in den Tiefen des Alls schwer auszumachen, sieht doch der irdische Astronom durch einen Wasserdampfschleier, der aus dem Licht astronomischer Objekte gerade das herausschneidet, was ihn interessiert, die extraterrestrischen Wasserdampfbanden in deren Spektren. Die obige Infrarotaufnahme der Erde zeigt diese im Lichte leuchtenden Wasserdampfs. Deswegen werden zur Wassersuche im Kosmos Satelliten eingesetzt, wissenschaftliche «Wünschelruten», die weit oberhalb der wasserdampfhaltigen Troposphäre operieren.

Das Urmaterial, aus dem das Planetensystem hervorging, war sicherlich reich an Wassereis. Wasser ist das häufigste Kondensat im Kosmos! Kometen, die aus der «Tiefkühltruhe» des Sonnensystems kommen, von jenseits des Neptun, bestehen zum größten Teil aus Eis. Das verdampft natürlich, nähert sich ein solcher schmutziger Riesenschneeball der Sonne. Durch den Sonnenwind wird die Wasserdampffahne weggeweht. Auf diese Weise bilden sich Millionen Kilometer lange Kometenschweife.

Scott/Orman: Hyakutake

Was für einen Kometen auf Dauer tödlich ist, der Sonne Glut, betrifft auch die sonnennahen Planeten. Man geht davon aus, dass Merkur, Venus, Erde und Mars bereits während ihrer Bildung derart geröstet wurden, dass sie alle flüchtigen Substanzen, Wasser eingeschlossen, verloren haben. (Das führt zu einer paradoxen Situation: Dort, wo die Sonne später einmal auf einem Planeten flüssiges Wasser erlaubt, in der sog. habitablen Zone, hat Wasser die heiße Bildungsphase eines Planeten vermutlich nicht überstanden.) Erst jenseits der Marsbahn, hinter der «Schneegrenze», war es dauernd kalt genug, dass die Eise überleben konnten. Die Monde der Riesenplaneten bestehen zu einem großen Teil aus Wassereis. Bei den Jupitermonden Europa und Kallisto könnte (muss aber nicht) sich sogar unter einem kilometerstarken Eispanzer ein richtiger Ozean verbergen. Flüssiges Wasser scheint möglich, weil einerseits die Monde durch Gezeitenkräfte und Radioaktivität aufgeheizt werden und andererseits der Druck durch die darüberlastenden Eismassen immens ist. (Für verborgene Salzozeane spricht auch die hohe elektrische Leitfähigkeit der Monde, wie sie sich aus Magnetfeldmessungen ergibt.) So etwas öffnet natürlich Tür und Tor für Spekulationen über mögliches Tiefseeleben dort. Verglichen mit dem Wasserreichtum jenseits des Mars erscheint die Erde mit einem Wasseranteil von 0,1% regelrecht als "Wüstenplanet".

Woher stammt also das bisschen Wasser auf dem "blauen" Planeten? Oder haben wir doch mehr davon, als wir ahnen? Vermutlich ist das Wasser der Ozeane sekundär, es wurde nachgeliefert. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass Wasser in Spuren sogar in der Stratosphäre vorkommt. Von unten kann es unmöglich aufgestiegen sein. Das verhindert die sog. Kältefalle. Aufsteigender Wasserdampf kondensiert bzw. gefriert (bevor es die UV-Strahlung der Sonne zerstören könnte) und fällt dann zum Boden zurück. Das stratosphärische Wasser kann also nur von "oben" kommen, von draußen, mitgebracht von wasserhaltigen interplanetaren Staubteilchen, Mikrometeoriten also, die beim Eintauchen in die Lufthülle der Erde verdampfen. Um die sog. «Minikometen», über die lange spekuliert wurde, ist es inzwischen still geworden.

Deep Space 1: Borrelly T. Credner: Hale-Bopp

Das bringt uns auf eine Idee: Könnte die Quelle der Ozeane nicht jene kühle Region unseres Sonnensystems sein, wo auch die Kometen herkommen? Haben gar einschlagende Kometen hier ihr Wasser gelassen?

Nun, Kometen allein können nicht die Bringer des köstlichen Nass' gewesen sein. Kometeneis enthält recht viel Deuterium, d.h. mindestens eins der beiden Wasserstoffatome in einemWassermolekül wurde durch schweren Wasserstoff ersetzt. (Schwerer Wasserstoff leistet sich im Atomkern neben dem obligaten Proton ein Neutron, was die Masse eines Wasserstoffatoms verdoppelt.) Schweres Wasser ist zwar dem Ozeanwasser beigemischt, aber die Mengen sind viel zu gering, als dass die Ozeane allein von deuteriumreichen Kometeneis herrühren können. Höchstens ein Zehntel des irdischen Wasserreichtums können sie beigesteuert haben. Vermutlich waren es wasserhaltige urtümliche Kleinkörper aus dem einst mächtigen Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter, denen wir unser Badevergnügen verdanken. Der Wasseranteil in diesen Asteroiden beläuft sich immerhin auf einige Prozent. Beim Meteoritenhagel am Ende der Erdfrühzeit, im sog. Hadean, gelangte das Wasser auf die Erde. Aus den Anfangsjahren haben lediglich einige Zirkonkriställchen die Zeiten überdauert, welche uns Aufschluss über die damaligen Verhältnisse geben können.

Gaspara

Was aber brachte einige dieser wässrigen Brocken von jenseits der Wasserlinie auf Kollisionskurs mit der Erde? Verdächtigt wird Jupiter. Er, der größte unter den Planeten, hat durch seinen gravitativen Einfluss recht schnell das innere Planetensystem vom Bauschutt leergefegt. Das meiste davon, sofern es nicht in interstellare Weiten geschleudert wurde, dürfte sich heute dort befinden, wo die langperiodischen Kometen herkommen, in der Oortschen Kometenwolke. Diese umgibt das Sonnensystem und reicht bis in die Einflusssphäre der Nachbarsterne. (Die Katapultwirkung des Jupiter wird übrigens von Raumfahrttechnikern geschickt ausgenutzt, um Sonden relativ billig in Fahrt zu bringen, wie z.B. die Pioneer- und die Voyager-Sonden, die unser Sonnensystem verlassen.) Einige Brocken, die Jupiter aus der Bahn geworfen hat, sind aber nach Innen gelenkt worden. Sie waren vermutlich die Bringer des Wassers. Auch heute noch ist der Einfluss des Jupiter auf die Kometenbahnen unübersehbar, beim Halleyschen Kometen beispielsweise oder bei Wild 2 (Foto: NASA), dessen Koma am 2. Januar 2004 die Stardust-Sonde Staubteilchen entnommen hat, die später auf der Erde analysiert werden sollen. Im Juli 1994 konnten wir sogar der Bombardierung des Jupiter beiwohnen (Aufn.: MPG/Calar Alto). Er hatte den Kometen Shoemaker-Levy-9, der ihm zwei Jahre zuvor zu nahe kam, in Stücke gerissen, die schließlich in den Jupiter stürzten (Aufn.: HST). Dieser Komet fällt uns nicht mehr auf den Kopf!

Die Frage nach der Herkunft der irdischen Ozeane ist keineswegs ausdiskutiert. Einige Geologen meinen, Wasser habe die Bildung der Erde aus dem anfänglichen Sonnennebel überstehen können. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass Radarbeobachtungen des sonnennahen Merkur auf Eis in Kratern der Polarregion hindeuten, wo nie ein Sonnenstrahl einfällt. Angenommen, unser Planet wäre tatsächlich "nass" entstanden, wo ist das Wasser jetzt? Die Erde müsste sehr viel mehr Wasser enthalten, als das der Ozeanen und der Atmosphäre. Die Wassermassen müssten die der heutigen Ozeane um das 50-fache übertreffen! Nun, gewisse Gesteine lagern Wasser in ihren Kristallgittern ein. Ganze Ozeane von Kristallwasser könnten sich eventuell unter der Oberfläche in Dutzenden von Kilometern Tiefe verbergen, was auch erklärte, weshalb manche Vulkane wasserreiche Lava speien. Außerdem, wenn man in der Lava das extrem flüchtige Heliumisotop Helium-3 (mit einem einzigen Neutron im Kern anstatt der üblichen zwei) aufgespürt hat, das mit Sicherheit aus dem Urknall stammt, warum sollte dann nicht auch das weniger flüchtige Wasser das Inferno der Planetenmontage überlebt haben können?

Kürzlich las ich in diesem Zusammenhang, die Plattentektonik der Erde, insbesondere das Abtauchen von Ozeanboden in den Erdmantel funktioniere prinzipiell nur mit «feuchten» Platten, weshalb es auch auf der wasserlosen Venus so etwas nicht gebe. Träfe das zu, wäre Wasser für die planetare Dynamik von Bedeutung und nicht nur «oberflächlich» von Interesse.

Sie merken, eine solch simple Frage, wie die nach der Herkunft der Ozeane, des Markenzeichens des «blauen» Planeten, hat es in sich.

Wenn eingangs etwas pathetisch behauptet wurde, Leben sei Wasser, so stimmt das nicht ganz. Zum Leben gehört mehr, z.B. Aminosäuren. Diese Kettenglieder der Eiweiße sind bereits in interstellaren Molekülwolken und auf Kometen und Meteoriten anzutreffen. Wenn schon nicht das Leben selbst, zumindest seine Bestandteile sind vom Himmel gefallen.