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Porträt von Tempel
Max Ernst
1965

Der surrealistische Maler Max Ernst (1891–1976) liess sich von der Natur inspirieren. Alles, was die Phantasie irgendwie auf Trab brachte, war ihm recht. So unter­schied er nie fein säuberlich zwischen Astronomie und Astrologie. In Collagen hat er oft Re­pro­duk­tionen aus natur­wissenschaft­lichen Werken künstlerisch ver­frem­det, darunter auch Illustrationen aus der volkstümlichen Astronomie von Camille Flammarion (1842–1925), einem Marskenner und frühen Psi-Forscher. (Fürs Volk zu schreiben galt damals als Fauxpas und man verwies Flammarion der Sternwarte. Man würfe «keine Perlen vor die Säue» so der Tenor am Pariser Observatorium.)

In späteren Jahren waren es Raumfahrt und Mondlandung, die Max Ernst begeisterten und Eingang fanden in sein Alterswerk. Das Porträt zeigt den Astronomen Ernst Wilhelm (Guillaume) Leberecht Tempel (1821–1889), eine schil­lernde Figur am Astro­nomen­him­mel. Ein Genie ohne Diplom, wie sich Max Ernst ausdrückte. Als Lithograf fand der einst sein Fernrohr und die Liebe zur Astronomie. Seine künstlerischen Fertigkeiten kamen ihm dabei zugute. Seine Kometen- und Nebel­zeich­nungen waren damals, als die Astrofotografie noch in den Kinder­schuhen steckte, «state of the art».

Tempel, aus ärmlichen Verhältnissen stammend, hatte es nicht leicht und verliess, wie später Max Ernst, Deutschland. Kopenhagen, Venedig, Marseilles, Mailand waren einige der Lebensstationen. Am Pariser Observatorium wies man ihn ab. Denen war der Autodidakt suspekt. Zusammen mit dem Amerikaner Horace Tuttle entdeckte er in Marseilles den Kometen von 1866 (Komet 55P/Tempel-Tuttle), Quelle des November-Sternschnuppen-Schwarms der Leoniden. Der Komet 9P/Tempel 1, aufgefunden 1867, ist 2005 Ziel der Deep Impact Mission der NASA. Als Entdecker war Tempel erfolgreich wie kaum ein anderer: Neben einem guten Dutzend Kometen gingen ihm fünf Kleinplaneten ins Netz. Einer davon, «Maximiliana», ein Lobpreis auf den Bayernkönig Maximilian II., hat etwas in unserem Max Ernst in Schwingung versetzt. Er widmete jedenfalls 1964 dem Astronomen und Seelenverwandten 39 Lithografien — die Maximiliana.

Die Planetoidentaufe stieß damals übrigens auf Kritik. Man legte Wert auf Bildung, sprich antike Mythologie. Nr. 65, Maximiliana, wurde in Cybele umbenannt. Später gingen den humanistisch Gebildeten dann doch die Namen aus: Der Kleinplanet Nr. 3808 heißt schlicht Tempel.