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Pluto hat am 4. September 1989 den sonnennächsten Punkt seiner Ellipsenbahn durchlaufen. Bis zum Februar 1999 war er der Sonne näher als Neptun. 2114 wird er den sonnenfernsten Punkt seiner Bahn erreichen. Formal ist Pluto derzeit der äußerste Planet des Sonnensystems. Dennoch markiert genaugenommen die Neptunbahn den Rand des Planetensystems. Für eine Außenseiterrolle Plutos spricht nicht nur seine Kleinheit, auch Lage und Exzentrizität seiner Bahnellipse entsprechen nicht dem, was man von einem «ordentlichen» Planeten erwartet.
Mit der starken Neigung (17 Grad) der Plutobahn gegen die Ekliptik und der Tatsache, daß auf zwei Plutoumläufe immer genau drei Neptunumläufe um die Sonne entfallen, hängt es zusammen, daß beide einander nie wirklich nahekommen. Ein katastrophaler Zusammenstoß ist durch diese Regelung ausgeschlossen!

Das Leichtgewicht Pluto zählt also nicht, trotz Mond. Er scheint lediglich der größte unter einer ganzen Schar transneptunischer Kleinkörper zu sein - der «König des Kuiper-Gürtels», wie sich Tombaugh ausdrückte. Neben Pluto befinden sich noch eine Reihe anderer dieser Kleinkörper in der 3:2 Resonanz zum Neptun. Diese werden, weil von der Bahnmechanik her dem Pluto ähnlich, als «Plutinos» bezeichnet. Der Pluto-Entdecker hat es noch erlebt, wie nach 1992 eine ferne Welt nach der anderen jenseits des Neptun vor den erstaunten Augen aller auftauchte, zwar alle bisher kleiner als Pluto, aber immerhin richtige Himmelskörper von einigen 100 km Durchmesser. Sie alle gehören dem sagenhaften Edgeworth-Kuiper-Gürtel an. Dieses Reich eisiger, steiniger Bruchstücke, eine Reminiszenz an die Ur-Scheibe, aus der einst das Sonnensystem hervorging, gilt als das Mutterland kurzperiodischer Kometen. Tatsächlich stammt der bekanntesten einer, Halley, von dort.
(Der schnellste der Kurzperiodischen ist nach unserem Johann Franz Encke benannt. Der nämlich hatte, noch in Gotha auf dem Seeberg wohnend, über diesen Kometen eine Preisschrift verfaßt, was ihm 317½ Taler eingebracht hat. Aber das nur nebenbei.)

Die Zeit, die diesen Kometen bleibt, wurden sie durch himmelsmechanische Einflüsse aus ihrer Heimat vertrieben, ist kurz. Halley beispielsweise wird von mal zu mal schwächer. Jeder Sonnenvorbeiflug zehrt an Substanz - und an Glanz. Wer aber besorgt das Nachliefern der Schweifsterne? Verdächtigt wird - Neptun. Er, wieder in der Rolle des «Störers», «erodiert» gewissermaßen den Innenrand des Kuiper-Gürtels und wirft den einen oder anderen Kuiperianer aus seiner Bahn. Der Centaur Chiron, 1977 entdeckt, hat eine solche bewegte Vergangenheit. Ihn ziert nun sogar ein Kometen-Halo.
Einige gelangen nach Jahrmilliarden der Dunkelheit für eine kleine Weile ans Licht, sprich an die Sonne. Andere werden dafür noch weiter weg geschleudert.
Der «Berliner» Neptun also der Bringer der Kometen? Auch das ist vorstellbar.

  1. Oortwolke und Kuiperscheibe
  2. Die Zentauren
  3. Scheiben bei anderen Sternen

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5.1. Oortwolke und Kuiperscheibe

Verweilen wir noch ein wenig an der Peripherie des Sonnensystems, die so leer nicht ist, und vergegenwärtigen wir uns, wie es zur Vorstellung einer den Planetenraum umgebenden Eiswolke aus Kometenkernen kam.

Hale-Bopp

Der Hinweis auf ein Reservoir von 100 Milliarden «schlafenden» Kometenkernen aus Gestein und Eis weit jenseits von Neptun und Pluto stammt aus der Statistik: Langperiodische Kometen, also solche mit Umlaufzeiten von Tausenden bis Millionen von Jahren, entfernen sich Tausende von AE von der Sonne. Das ist hundert Mal weiter als die Plutoentfernung! Die Astronomische Einheit (AE) ist, wie Sie wissen, der Abstand der Erde von der Sonne: 150 Millionen Kilometer. Dort an der Grenze des Sonnensystems also, wo sich der Einfluß vorüberziehender Sterne bereits störend bemerkbar macht, muß demnach eine riesige Kometenwolke das Sonnensystem einhüllen. So jedenfalls die Schlußfolgerung des Niederländers Jan Hendrik Oort vor einem halben Jahrhundert. Diese Kometen stammen aus dem solaren Urnebel und wurden vor 4,5 Milliarden Jahren, als sie unvorsichtigerweise den Urriesen Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun zu nahe kamen, gravitativ dorthin geschleudert. Benachbarte Sterne, wie Alpha Centauri, können dort, wo das Material nur noch locker von der Sonne festgehalten wird, Unruhe stiften, d.h. die Oortschen Eiskörper aus der Bahn werfen. Einige werden gänzlich in den interstellaren Raum verfrachtet, andere als langperiodische Kometen zur Sonne gelenkt. Plötzlich und unerwartet tauchen sie dann, wie Hale-Bopp, an unserem Himmel auf, um bald wieder für Jahrtausende in die Vergessenheit zu entschwinden. Erst in Sonnennähe werden sie durch die wärmenden Sonnenstrahlen «geweckt» und entwickeln Koma und Schweif, also das, was wir an einem Kometen schätzen und bewundern.

Die Existenz der Oortschen Kometenwolke erklärt allerdings nicht die kurzperiodischen Kometen mit Umlaufzeiten von weniger als 200 Jahren, deren Bahnen zudem nur wenig zur Grundebene des Planetensystems geneigt sind. Die müssen, wie himmelsmechanische Überlegungen amerikanischer und kanadischer Astronomen vor wenigen Jahren gezeigt haben, tatsächlich aus einer vergleichsweise nahen, scheibenförmigen Gegend gleich hinterm Neptun stammen. Es waren diese aufwendigen Computersimulationen, durch welche die fast vergessene Vermutung von Edgeworth und Kuiper aus den vierziger bzw. fünfziger Jahren wieder zu Ehren kam. Der Privatgelehrte Kenneth E. Edgeworth und der Profi Gerard Kuiper: Ihrer beider Namen ziert nun ein Teilchengürtel, der von seiner Masse her den altbekannten Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter um das Hundertfache übertrifft. Er reicht von 35 bis vielleicht 50 AE. Identifiziert sind bisher rund 500 Objekte, das bislang größte, getauft auf den Namen Quaoar, ist über 1000 km groß. Gefunden wurden die meisten bei einer jahrelangen systematischen Suche auf der Sternwarte von Hawaii. Die Gesamtanzahl derjenigen, die 100 km übertreffen, wird auf einige Hunderttausend hochgerechnet. 100 Millionen sollen größer als 20 km sein und 5 Milliarden, die 2-km-Marke passieren. Bei so vielen Körpern sind Kollisionen nicht ausgeschlossen. Insbesonders die kleineren Objekte könnten Fragmente von einst größeren Körpern sein.
Übrigens deuten jüngste Beobachtungen mit dem Hubble-Raum-Teleskop in der Tat auf eine Population von kilometergroßen Objekten in der Kuiperscheibe hin. Doch liegen diese bei der 27. Größe und damit an der Grenze des mit dem HST Erreichbaren.
Vermutlich war der äußere Asteroiden-Gürtel anfangs erheblich massereicher (einige Erdmassen) als heute. Anders kann man sich ansonsten das Vorhandensein vom solch relativ großen Brocken wie Pluto, Quaoar und Charon in dieser Region kaum erklären.

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5.2. Die Zentauren

Die bislang gefundenen Kleinkörper der Kuiperscheibe leuchten ausgesprochen rötlich. Und es war diese Rotfärbung, welche die Forscher stutzen ließ. Kannte man nicht bereits eine eigentümliche Horte von Asteroiden, die Zentauren, die zwischen Saturn und Neptun auf chaotischen Bahnen herumgaloppieren, und von denen zumindest einer, Pholus, wie rot angemalt ist? Der Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen: Es könnte sich bei den Zentauren um ehemalige Kuiperianer handeln, die kürzlich, d.h. vor Jahrmillionen, aus ihrer Heimat vertrieben und nun zum Spielball der Planetengiganten geworden sind. Einen Zentauren, 2060 Chiron, haben wir bereits erwähnt. Sie erinnern sich: Der mit der Andeutung einer kometaren Koma. Er muß, da er offenbar entgast, aus gefrorenen und leicht verdunstbaren Stoffen bestehen und kann demnach nicht aus dem warmen Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter stammen. Mit 180 km Durchmesser ist er für einen Kometen allerdings reichlich groß. Hale-Bopp werden 30 bis 40 km zugestanden! Halley ist noch kleiner. Stellen die Zentauren tatsächlich nur die Spitze des Eisberges dar, ist damit zu rechnen, daß sich ein Heer von Kometen gerade in der Übergangsphase vom Kuiperianer zum Sonnensucher befinden.

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5.3. Scheiben bei anderen Sternen

Beta Pictoris

Die Kuiper-Scheibe jenseits vom Neptun paßt im übrigen gut zu unseren Vorstellungen von der Entstehung des Planetensystems. Danach kam es beim gravitativen Kollaps einer kühlen Gas-Staub-Wolke aus Gründen der Drehimpulserhaltung zunächst zur Bildung einer rotierenden Scheibe. Im Zentrum befand sich die noch unfertige Ursonne, aus dem verbliebenen Scheibenmaterial haben sich die Planeten geformt. Die Kuiperobjekte sind demnach Baumaterial des Planetensystems, das vor 4,5 Md. Jahren nicht aufgebraucht wurde. Chemisch kaum verändert, sind diese eisigen Himmelskörper die vielleicht letzten Zeugen aus der Gründerzeit.
Tatsächlich finden sich um einige junge Sterne Reste ausgedehnter Scheiben. Bekanntestes Beispiel ist die Staubscheibe um Beta Pictoris, die wir von der Kante aus sehen. Hier eine Aufnahme mit einem Teleskop der ESO. Die Scheibe reicht hunderte von AE in den Raum und überdeckt damit ziemlich genau den Bereich der Kuiperianer bei uns. Aber auch Wega beispielsweise ist von einer Staubansammlung umgeben, die sich durch ihr Infrarotleuchten verrät.
Übrigens glaubt man aus einer leichten Unsymmetrie der Beta-Pictoris-Scheibe auf das Vorhandensein eines Planeten dort schließen zu dürfen.